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Im ersten Quartal 2023 hat die BFS Service GmbH im Auftrag der Bank für Sozialwirtschaft erneut Einrichtungen und Organisationen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft zu den Auswirkungen der steigenden Kosten sowie dem Handlungsbedarf in zentralen Leistungsfeldern befragt. Die Ergebnisse des zweiten „Trendbarometer Sozial- und Gesundheitswirtschaft“ unterstreichen die jüngsten Hilferufe der Leistungserbringer in Richtung Politik. Demnach lassen sich die Anforderungen hinsichtlich Leistungsangebot und Versorgungsqualität nur dann weiterhin erfüllen, wenn zügig stabile gesetzliche Rahmenbedingungen zum wirtschaftlich tragfähigen Betrieb sozialer Einrichtungen geschaffen werden.
Die Hälfte der Befragten schätzt die zukünftige wirtschaftliche Situation ihres Unternehmens als angespannt ein. Die größte Herausforderung: Inflationsbedingte Mehrkosten, die von den Kostenträgern weiterhin nur unzureichend kompensiert werden, treffen auf Ertragseinbußen, weil aufgrund des Personalmangels Aufnahme- und Behandlungskapazitäten eingeschränkt sind.
Personal, sonstige Sachkosten, Lebensmittel und Energie sind die Kostenblöcke, in denen noch weitere Kostensteigerungen erwartet werden. Geschäftsfeldübergreifend hat rund ein Drittel der Befragten die Erfahrung gemacht, dass sich die Kostenträger nicht bereit zeigen, die Mehrkosten zu kompensieren. Insbesondere in Hilfefeldern wie der ambulanten Pflege und der Eingliederungshilfe geht ein bedeutsamer Anteil der Befragten nicht davon aus, angemessene Vergütungssatzsteigerungen verhandeln zu können.
35 Prozent der Befragten betrachten die verschiedenen Energiehilfen von Bund und Ländern als unzureichend: Bürokratische Hürden sind zu hoch und die bisher entstandenen Einbußen werden oftmals nicht kompensiert. Zudem klaffe zwischen Ankündigung auf Bundesebene und Umsetzung auf Ebene der Länder und Kommunen eine große Lücke.
Für 60 Prozent der Befragten bedeudet dies: Die Liquidität verringert sich – je nach Geschäftsfeld zwischen fünf und 20 Prozent. Einzelne Anbieter stationärer und ambulanter Pflege sehen sich sogar mit einem Rückgang der Liquidität um über 30 Prozent konfrontiert.
Eine weitere Zuspitzung sind langfristige Defiziten im Jahresabschluss. Rund 30 Prozent der Befragten geben an, das Jahr 2022 mit einem Defizit abzuschließen. Im Jahr 2023 erwarten bereits über 40 Prozent der Befragten ein negatives Jahresergebnis. Gegenüber dem Jahr 2019 hat sich der Anteil der Befragten, die ein Jahresdefizit erwirtschaften, fast verdreifacht.
Der Personalmangel schlägt zunehmend auf die Ertragsseite der Unternehmen durch. Eine Reduktion der Aufnahmekapazitäten für neue Patienten, Bewohner und Klienten aufgrund fehlenden Personals – das ist geschäftsfeldübergreifend für 65 Prozent der Befragten bereits Realität. Je nach Geschäftsfeld beträgt die Einschränkung der Aufnahmekapazität zwischen 10 und 30 Prozent. Neben Krankenhäusern sind v.a. Einrichtungen bzw. Dienste der stationären und ambulanten Pflege sowie Wohnangebote und Werkstätten für Menschen mit Behinderung besonders betroffen (siehe Abbildung 1).
Die reduzierten Aufnahmekapazitäten führen wiederum zu signifikanten Einbußen beim Ertrag.Besonders gravierend sind die Auswirkungen im Pflegesektor. Manche stationäre Pflegeeinrichtungen und ambulante Pflegedienste verzeichnen einen Rückgang der Erträge um mehr als 40 Prozent (siehe Abbildung 2).
Soziale Organisationen müssen nun alle Möglichkeiten nutzen, um ihre ökonomische Resilienz zu steigern. Hierzu zählen insbesondere
eine ganzheitliche Bestandsaufnahme hinsichtlich Leistungsangeboten, Prozessen und Immobilien, um Handlungsbedarfe mit Kennzahlen zu untermauern
eine regionale Arbeitsmarkt- und Fachkraftanalyse inkl. perspektivischer Entwicklungen,
eine Strategie zur Positionierung als attraktiver Arbeitgeber,
regionale Bedarfsanalysen unter Berücksichtigung der verschiedenen Versorgungsformen,
eine besonders sorgfältige Überprüfung der Wirtschaftlichkeit von Bauvorhaben,
eine steigenden Nachhaltigkeit der Leistungserbringung – dies ist nicht nur eine Pflicht sondern v.a. ein Chance,
die Optimierung des Liquiditätsmanagements durch prozessuale Maßnahmen (z.B. Sachkosten- und Belegungsmanagement) und Finanzierungsinstrumente (z.B. Factoring, Avale und Leasing),
die Stärkung der Investitionsfähigkeit durch Einsatz eines passenden Finanzierungsmixes (z.B. Fördermittel und -darlehen, Sale and lease back und Zusammenarbeit mit Spezialimmbobilienfonds).
In jüngester Zeit musste eine steigende Zahl von Betreibern aller Größenklassen Insolvenzanträge stellen oder sich aus wirtschaftlichen Gründen aus einem Hilfefeld – insbesondere der stationären oder ambulanten Pflege – zurückziehen. Die soziale Infrastruktur ist in Teilen akut bedroht. Aus Sicht der Leistungserbringer ist die Politik gefordert, stabile gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Diese sind die Voraussetzung für eine langfristige Planung des Leistungsangebotes und der damit verbundenen Investitionen. Stabilität und Planungssicherheit sind von zentraler Bedeutung für eine zuverlässige und konsistente Versorgung der Bevölkerung.
Über das BFS-Trendbarometer:
Für das zweite „Trendbarometer Sozial- und Gesundheitswirtschaft“ hat die BFS Service GmbH erneut ausgewählte Vertreter*innen von insgesamt mehr als 1.000 Einrichtungen in den Branchen und Leistungsfeldern des Sozial- und Gesundheitswesens befragt. Zu den behandelten Themen gehören die politischen Hilfsmaßnahmen zum Abfedern der Energiekrise und das neue Personalbemessungssystem in der stationären Pflege. Die Umfrage wurde vom 25. Januar bis zum 21. Februar 2023 durchgeführt. Das erste Trendbarometer Sozial- und Gesundheitswirtschaft wurde im Oktober 2022 veröffentlicht.
Das „Trendbarometer Sozial- und Gesundheitswirtschaft“ ist kostenlos abrufbar unter: www.sozialbank.de/news-events/publikationen/bfs-trendbarometer
Quelle: bpa.Magazin, Ausgabe #2/2023
Susanne Leciejewski
Geschäftsleiterin Beratung
BFS Service GmbH
s.leciejewski@bfs-service.de
Markus Sobottke
Teamleiter Research
BFS Service GmbH
m.sobottke@bfs-service.de
Susanne Leciejewski
Geschäftsleiterin Beratung BFS Service GmbH
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